Wenn wir uns auf das Konzept der Gottesgegenwart einlassen, dann ist es schwer vorstellbar, dass er nicht immer und überall gegenwärtig wäre. Das gesetzt ergibt sich die Frage,
warum es uns nicht gelingt, uns anhaltend als in seiner Gegenwart wahrzunehmen. Der Hinderungsgrund liegt wohl irgendwo bei uns.
Natürlich sind eine Vielzahl Gründe vorstellbar - auch solche, die das Problem scheinbar nach außen verlagern. Und sicher gibt es auch wirklich im Äußeren mehr oder weniger förderliche Umstände. Gleichwohl können wir zwei Dinge annehmen - als HS außerhalb der Trennungswelten sind wir anhaltend in der Gottesgegenwart (Jonas verweist hier auf den Begriff "Seelen-Selbstgewahrsein" als Wahrnehmungsaspekt dieses Faktums nach Daskalos). Ein vollkommen entwickeltes Wesen, dass in den TW inkarniert wäre, befände sich auch innerhalb der TW wahrnehmungsmäßig permanent und weitestgehend in der Gottesgegenwart (Jonas zitiert auch hier Daskalos mit dem Begriff "Selbstverwirklichung"). Folge wäre die vollkommene Offenbarung Gottes ohne Verzicht auf Individualität.
Dort sind wir nun noch nicht ganz angekommen ^^. Insofern bleibt die Frage, was konkret denn Hinderungsgründe bzw. Förderungsmöglichkeiten sind - eines weist dabei natürlich immer direkt auf das andere hin. Vielleicht können wir hier einmal ein paar Gedanken dazu sammeln, ohne eine vollumfängliche Religionsphilosophie zu entwerfen. Eine These wäre zum Beispiel, dass es schwieriger ist, sich der (Wahrnehmung der) Gottesgegenwart anzunähern, wenn man viel mit Menschen zu tun hat, die gerade mit ganz anderen Dingen zu tun haben/ beschäftigt sind. Also beispielsweise im beruflichen Kontext und zweifellos umso mehr, je mehr man selbst intellektuell und emotional mit in diese Prozesse eingebunden ist. Und auch umso mehr, je weniger Zeit man jenseits davon eben doch für sich in der Gottesgegenwart verbringen kann.
Im übrigen können einem schon drei Tage in der Vollblüte eines Schnupfens das freudige Auskosten der Gottesgegenwart erschweren. ^^
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Jonas (Donnerstag, 31 Oktober 2024 07:25)
Zu den Förderungsmöglichkeiten: Mir helfen da konkret folgende Dinge, vermehrt in die Gottesgegenwart einzutreten:
Dankbarkeit für die kleinen Dinge des Lebens: Ein Glas frisches Wasser, wärmende, angenehm zu tragende Kleidung, ein guter Tee, einen schmerzfreien Körper zu haben…
Blick nach Innen, Innenschau, den Beobachterstatus einnehmen: Was sind gerade meine Gefühle, meine Gedanken? Handle ich im Einklang mit den göttlichen Gesetzen? Das führt mich auch zur Frage: Bin ich mir meiner Verbindung mit Gott gewahr?
Hingabe und Demut: „Dein Wille geschehe!“ - das Zurückdrängen des Eigenwillens/Eigensinnes üben. Und dafür die Position der demütigen Hingabe einnehmen, im Glauben und in der Erkenntnis darin, dass alles, was mir passiert, aus Gottes gütiger Hand stammt und für mich und meine Entwicklung das Beste ist.
Nicht in weltliche Dinge zu stark verwickeln lassen, Abkehr von Materiellem:
Wir sind „in, aber nicht von dieser Welt“, frei zusammengefasst nach Joh 17,14-18. Wie Clemens bereits angeführt hat kann die Abkehr von weltlichen Dingen und materialistisch orientierten Menschen nützlich sein, um sich vermehrt gewahr zu sein, was uns wirklich ausmacht.
„Liebt nicht die Welt noch was in der Welt ist! Wenn jemand die Welt liebt, ist die Liebe des Vaters nicht in ihm;“ Johannes 2,15 ReÜ 1985.
Jonas (Donnerstag, 31 Oktober 2024 07:28)
Fortsetzung:
Treffen mit spirituellen Freunden
Nicht nur die Gespräche, schon allein die Gegenwart spiritueller Freunde begünstigt die Wahrnehmung der Gottesgegenwart. Das Leben in einer spirituellen Gemeinschaft kann auch aus diesem Aspekt heraus sehr erfüllend sein.
Lesen spiritueller Literatur
Besonders jene Werke, die vom Autor aus dem Gewahrsein der Verbundenheit mit Gott heraus geschrieben wurden, entfalten eine Wirkung, die manchmal verblüffend ist. Es kann passieren, dass man schon nach dem Lesen der ersten Worte ins Sein katapultiert wird.
Die Sehnsucht nach Wiedervereinigung nutzen, um Zugang zur Verbindung zu bekommen (siehe auch Betrachtung der Goldensufis, Blog 11. Oktober).
Das Gebet als Form der Re-ligio, der Rück-verbindung mit dem Göttlichen in unserem Inneren, nutzen:
Jede Form des Gebetes, besonders das Christusgebet kann dabei helfen, sich der Verbindung auf Seelenebene gewahr zu bleiben. „Betet ohne Unterlass“ (Lk 18,1; Röm 12,12; Eph 6,18)
Gottesgegenwart kann auch als formloses Gebet verstanden werden.
C. (Donnerstag, 31 Oktober 2024 18:04)
#2: " Gottesgegenwart kann auch als formloses Gebet verstanden werden."
Diana (Freitag, 01 November 2024 07:01)
Vielen Dank, Clemens und Jonas, für Eure hilfreichen Ausführungen zur Gottesgegenwart.
Eine Voraussetzung, die (All)Gegenwart Gottes zu spüren, sich ihrer bewusst zu sein, ist erst einmal, überhaupt gegenwärtig zu werden. Gegenwärtig zu sein bedeutet, da zu sein, wo man ist. Nicht tot sein, nicht schlafen, nicht träumen, nicht beschäftigt, nicht in irgendwelche geistigen, emotionalen oder körperlichen Konzepte und Ausdrucksformen verstrickt zu sein. Da zu sein, wo man ist und sich dessen bewusst zu sein. Das stellt schon eine große Freiheit dar. Hier gibt es ein weites Feld an spirituellen Übungen und Anleitungen, um in die Gegenwärtigkeit zu kommen, neben der Tatsache, auch „einfach“ Innehalten zu können, um einen Vorgeschmack zu spüren.
Eine weitere Voraussetzung wäre, aus meiner jetzigen Sicht, eine gewisse Entwicklung hinter sich gebracht zu haben, wobei ich vermute, dass das individuell variieren kann. Wir brauchen einen bestimmten Entwicklungsstand, um dieses Sehnen nach Gott deutlicher zu spüren, ihn überhaupt als relevantes Ziel zu verstehen, erreichen zu wollen. Und da gibt es sicher unterschiedliche Wege, nicht nur über den Gottesbegriff selbst, sondern z.B. über das Konzept der Leere, des Geistes, etc. Diese sind meines Erachtens auch als Ausdrucksformen und Wege hin zu Gott zu verstehen. Man sollte sich aber nicht belasten oder schlecht fühlen, wenn man mit Gott erst einmal nicht so viel anfangen kann, sondern einfach den spirituell gewählten Weg gehen, im Vertrauen darauf, dass er auch unsere vorangegangenen Brüder und Schwestern geführt hat.
Gott ist ein anderer Begriff für die Absolute Unendliche Seinsheit, aber ein deutlich engerer. Letzterer beschreibt mit rudimentären Worten die Unbegreiflichkeit, Unendlichkeit und Unermesslichkeit der Absoluten Unendlichen Seinsheit. Das Wort Gott spiegelt für mich das wieder, was uns zu unserem jetzigen Entwicklungspunkt individuell von der Absoluten Unendlichen Seinsheit zugänglich und fassbar ist. So wie wir im Zuge unserer spirituellen Entwicklung, bezogen auf alles, schrittweise umfassenderes Erkennen und Bewusstsein erlangen, so auch in Bezug auf die Absolute Seinsheit. Trotzdem beinhalten diese Entwicklungsschritte und Fortschritte immer wieder Konzepte und Vorstellungen, die uns von der Wirklichkeit noch trennen. Bessere Konzepte und Vorstellungen, aber nicht umfassendes freies (leeres) Erkennen.
Das führt dazu, dass wir auf dem Weg unterschiedliche Zugänge zu Gott haben. Wir brauchen auf diesem Weg zu einem umfassenden Erkennen und Zugang zu Gott einfach Stufen oder eine Leiter, die uns Halt und Sicherheit für den Weg geben: Um all das, was wir erkennen lernen werden, in uns erst einmal fassen und halten zu können. Je weiter wir aber auf dem Weg gehen, umso mehr können wir uns aufgrund unserer Entwicklung in die Absolute Seinsheit hinein fallen lassen (und Er sich in uns).
Fortsetzung in #5
Diana (Freitag, 01 November 2024 07:02)
Fortsetzung von #4
Das heißt, wenn wir von Gottesgegenwart sprechen, bedeutet es, ihn als den uns gerade individuell möglichen Zugang zur Absolute Seinsheit und seiner (All)Gegenwart zu verstehen. Was hilft uns, dies zu fördern?
- Uns immer wieder bemühen, uns aus dem Sog der Materie, des alltäglichen Lebens zu befreien. Nicht absolut, sondern durch Weg-Arbeit Lücken, Raum in diesem zu fördern, so dass der normale Lebensalltag vergöttlicht, vergeistigt, gesegnet werden kann. So dass Gott überhaupt die Möglichkeit hat, zu uns durchzudringen.
- Das bedeutet auch, uns kontinuierlich zu überlegen, was WIRKLICH WICHTIG ist, absolut betrachtet. Und dieser Frage kontinuierlich Raum zu geben und die Erkenntnisse daraus leben lernen.
- Das Bewusstsein zu stärken, uns zu erinnern, dass Gott uns immer in sich trägt und wir Ihn auch die ganze Zeit in uns tragen. Das Wissen und Gewahrsein, um dieses unglaublich kostbare Geschenk nicht aus den Augen zu verlieren.
- Unser Wünschen, Wollen und Sehnen darauf auszurichten, in unserer festen Existenz die kleinen Ritzen und Spalten, wo die Verbindung zu Gott schon ungehinderter besteht, zu weiten, auszudehnen, vermehren.
- ALLES in dieser Welt und darüber hinaus als Emanation und Materialisation des EINEN zu sehen. Alles ist erfüllt und beseelt von Ihm, IST ER, unterliegt seinem Leben, seinem Bewusstsein, seiner Liebe, seiner Allmacht und Allgegenwart. Aber auch diese Welt als eine Stufe oder Leitersprosse zu verstehen, über die wir uns hinaus-entwickeln werden.
- LERNEN, LERNEN, LERNEN, d.h. uns konkret im Alltag damit zu beschäftigen, was befreiend wirkt. Lernen zu meditieren und Geistesruhe zu erlangen. Lernen, in dem wir Innenschau und Selbstanalyse machen. Lernen, indem wir uns kontinuierlich mit spirituellen Texten, Büchern und Literatur beschäftigen, auch der, die uns nicht so nahe liegt. Lernen, indem wir unser aktuelles Wissen und Verständnis als sehr niedrigschwelligen göttlichen Ausdruck verstehen. Lernen, göttliche Qualitäten zu verstehen und zu verwirklichen. Lernen zu SEIN und uns als Werdende und Seiende zu begreifen, die sich göttlich Ausdruck verleihen lernen. Lernen, Alles und Jeden zu lieben. Lernen, still zu werden, damit Gott in uns aufgrund unserer Geistesruhe ein Gefäß findet, in das er einziehen kann.
- Lernen, unser Ich, unser Ego, unsere Persönlichkeit zu LASSEN, wo es möglich ist.
Zusammenfassend könnte man vielleicht so sagen: Wer Schwierigkeiten mit dem Gottesbegriff hat, kann seine Aufmerksamkeit und Fokus einfach auf den Weg der Befreiung legen. Einfach Weg-Arbeiter werden. Irgendwann stößt jeder auf dem Weg auf Gott als Gott und als Absolute Seinsheit. Bis dahin werden wir sowieso von Gott begleitet und geleitet, auch wenn wir dies nicht so explizit wahrnehmen können. Wir müssen uns den Weg zu Gott „nur“ erarbeiten, auch wenn er in uns von Anfang an angelegt ist und wir ihn „nur“ gehen müssen. D.h. wir müssen etwas tun, um Gott zu ermöglichen, zu uns durchzudringen, in uns ein einzuziehen, leer werden, um von Ihm erfüllt werden zu können. Gleichzeitig müssen wir uns bewusst werden, dass Er immer da ist. Und aushalten, dass Er und seine Allgegenwärtigkeit uns manchmal abhanden kommt, aber auch nicht absolut. Das kann durch das Abkommen vom Weg geschehen. Oder dadurch, dass wir durch unsere Entwicklung alte Zugänge zu Gott verlieren, diese nicht mehr funktionieren (wir haben uns darüber hinaus entwickelt) und wir den neuen Zugang noch nicht erschlossen haben, verstehen oder sehen. Dann hilft uns nur das Wissen und Vertrauen darauf, dass Gott DA IST. Und wenn wir nur lange genug innehalten, einatmen, ausatmen, werden wir uns Seiner Anwesenheit wieder gewahr werden.
Ruth Finder (Freitag, 01 November 2024 20:46)
Diana, Jonas, Clemens danke!