208 - 09.12.24 - Ein-Weisung 1

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Kommentare: 7
  • #1

    Linda (Mittwoch, 11 Dezember 2024 06:17)

    ´Wenn du dich an einem Ort niederlässt, dann entferne dich nicht leicht.´
    Gibt es dafür mal Anregungen, was gemeint sein könnte?

  • #2

    Diana (Mittwoch, 11 Dezember 2024)

    Liebe Linda, das ist eine gute Frage, darüber habe ich auch nachgedacht. Meine bisherigen Überlegungen dazu:
    Ich könnte mir vorstellen, dass es um das Thema Entscheidung geht. D. h. eine Entscheidung zu treffen (wo lasse ich mich nieder, welches Leben will ich führen) und dabei erst einmal zu bleiben. Und, ein daran anschließender Punkt: An jedem Ort der Welt werden unsere Schwierigkeiten Ausdruck finden. D. h. zu viel herumzuziehen, umzuziehen könnte als eine Flucht vor uns selbst und unseren Entwicklungsthemen gewertet werden. Es ist natürlich in Ordnung, sich für eine andere Art des Lebens zu entscheiden oder bestimmten Notwendigkeiten zu folgen. Es ist aber wichtig für uns zu prüfen, was die Motivation ist, warum wir etwas tun. All unsere Entwicklungsthemen werden uns immer wieder einholen, sobald wir uns für eine bestimmte Zeit an einem Ort niedergelassen haben. Das Umziehen ohne wirklich sachliche Notwendigkeit, heute werden solche Unternehmungen gerne „Projekte“ genannt, ist als Ablenkung zu werten. Als ein Nachgehen der inneren Rast- und Ruhelosigkeit, der Leere, der Suche nach dem Glück und Heil an der falschen Stelle, eine Flucht davor, sich mit sich selbst und seinen Problemen IM INNEREN auseinanderzusetzen.
    Und im Kontext der Wüstenväter noch viel mehr: Das Leben war sicherlich nicht leicht und man wurde da noch viel mehr auf sich und seine Schwierigkeiten zurückgeworfen: Ohne Ablenkungen des äußeren Lebens, bescheidene Existenz, sehr transparent im Kreis der Brüder zu leben, mit all seinen Schwierigkeiten und der Maßgabe, so und an diesem Ort ein gottgefälliges Leben zu führen. Da kann man leicht auf die „Lösung“ kommen, das ein anderer Ort für einen „besser geeignet“ wäre, da der Druck hier noch viel höher ist. Aber diesen auszuhalten, das, was passiert, auszuhalten und zu lernen, dem zu begegnen, bringt einen viel weiter, als sich dem zu entziehen. Beharrlich, aber sanft, nicht weichend, aushaltend und haltend, was da ist und es erst einmal einfach anschauen und annehmen. Mit dem Ziel, es besser zu machen, sich einfach kontinuierlich zu bemühen, in so kleinen und leichten Schritten wie möglich.

    Sich erkennen zu lernen und dem Gesehenen nicht mehr entfliehen müssen,
    sich annehmen zu lernen, aber sich damit nicht mehr verwechseln müssen,
    sich ändern zu lernen und das nicht als einen Verlust, sondern Zuwachs an Sein zu erleben,
    das scheint mir der Weg zu sein.

  • #3

    Diana (Mittwoch, 11 Dezember 2024 09:34)

    Vielleicht noch eine Ergänzung zum eben Gesagten: Wir müssen uns auf das Gute richtig und wirklich einlassen, um vom Guten zu profitieren, damit sich die Kraft des Guten in uns auch wirklich entfalten kann. Und das braucht etwas Zeit. Unentschiedenheit, Lauheit, Wankelmut oder Zweifel (als Weg-Arbeiter trotz besseren Wissens) verhindern das. Flapsig gesagt: Egal, was Du tust, tu es richtig und ganz. Dann spüren wir die Wirkung, dann gibt’s entweder Hiebe oder Liebe. Aber das bringt uns weiter :-).

  • #4

    RuFi (Mittwoch, 11 Dezember 2024 16:24)

    #1 - gute Frage, #2-3 - gute Antwort.

    Es könnte sich auch um das Thema Lehrer/Weggefährten handeln.

    Eine chassidische Geschichte dazu (es gibt fast IMMER eine passende):

    Kennen

    Rabbi Levi Jizchak von Berditschew und sein Schüler Ahron waren auf einer Reise und gasteten unterwegs in Lisensk bei dem großen Rabbi Elimelech. Als der Berditschewer weiterfuhr, blieb sein Schüler in Lisensk, setzte sich in die "Klaus", das Bet- und Lehrhaus Rabbi Elimelechs, und lernte, ohne ihm etwas davon gesagt zu haben. Als der Zaddik am Abend hin kam, bemerkte er ihn. "Warum bist du nicht mit deinem Lehrer abgereist?" fragte er.
    "Meinen Rabbi", antwortete Ahron, "kenne ich schon, und so bin ich hier geblieben, um auch Euch kennenzulernen." Rabbi Elimelech trat dicht auf ihn zu und fasste ihn am Rock. "Deinen Rabbi meinst du zu kennen? rief er, "du kennst noch nicht einmal seinen Rock!"

  • #5

    Diana (Donnerstag, 12 Dezember 2024 05:43)

    Zu #4:
    :-)

  • #6

    C. bezüglich #1 - und mehr (Donnerstag, 12 Dezember 2024 19:25)

    1. Wohin immer du gehst, habe überall Gott vor Augen.
    Übersetze ich für mich: Versuche, in der Gottesgegenwart zu sein.

    2. Was auch immer du tust, oder was du auch redest: für alles suche ein Zeugnis in den Heiligen Schriften.
    Beziehe ich für mich nicht nur auf die Bibel (obwohl hier wohl so gemeint), sondern auf die mich ansprechenden SchriftEN aus allen Richtungen. Intellektuelle bis meditative Ergänzung zu 1.

    3. Wenn du dich an einem Ort niederlässt, dann entferne dich nicht leicht.
    Ich bin kein großer Reisender. Da fällt dieser Spruch als Selbstrechtfertigung leicht (was Verdacht erregen sollte!). So einfach ist es aber wohl nicht. Diana und RuFi sind da wohl maßgeblicher. In der Christlichen Tradition gibt es übrigens einige Orden, bei denen man das Ordenshaus, in das man eingetreten ist, als Wohnsitz bis zum Tod nicht mehr verlässt. Das nimmt zumindest in dem Punkt ordentlich Druck aus dem System...

  • #7

    Linda (Freitag, 13 Dezember 2024 07:02)

    Danke euch, sehr anregend!