Der "jüngere Mönch" war nicht zwingend jung. Er war nur jünger als der Altvater. Er konnte also durchaus schon ein erfahrener Mönch sein. Ein Mönch, der seine Fähigkeiten in Konzentration,
Visualisation und Meditation schon so weit vorangetrieben hatte, dass er Wunderzeichen tun konnte. Als Antonios das hörte, schwang er sich auf den Mönch ein und realisierte seinen Stand, aber auch
die aus seiner Wundertat erwachsene Bedrohung und den sich abspielenden Kampf. Und richtig, nach einer Weile bemerkte er, dass der Mönch im Kampf unterlegen war. Er hatte sich letztlich nicht dagegen
wehren können, sich die Wundertat selbst zuzuschreiben. Er wusste wahrscheinlich schon, dass Gott die Ursache alles Guten ist und er selbst nur ein Kanal für den göttlichen Segen, aber dann sagte er
sich vielleicht, dass er eben schon ein besonders reiner Kanal sei. Und in diesem Hin und Her zwischen Kontakt zum HS in der Gottesgegenwart und egoistischem AP- Impuls kämpfte er - aber er unterlag
schließlich. Seine relative Größe kann man auch daran erkennen, dass er sich seiner Niederlage bewusst war und sie zutiefst bedauerte. Er stellte sich dem Kampf und nahm an, dass er nach zehn Tagen
Zerknirschung Rechtfertigung erlangen würde. Aber er wird andererseits vielleicht auch schon gewusst haben, dass es für seine wahrscheinlich anhaltende und schwer zu tilgende Sünde keine kurzfristige
Rechtfertigung gab. Das machte seinen Lebensfaden dünn... Und falls er es nicht wusste, so wurde dies einfach durch die karmische Konsequenz zum Ausdruck gebracht. Möglicherweise beides! Den
Charakterdefekt nahm er dann mit in die andere Welt - und von dort in die nächste Inkarnation, um ihn in einem neuen Anlauf zu bearbeiten. Dann vielleicht demutsfördernd erstmal ohne "ein Schiff
voller Waren" zu sein.
#2
Ruth Finder(Montag, 23 Dezember 2024 21:56)
#1: Man muss erstmal drauf kommen - toll!
Meine Deutung ist:
Es heißt "Tue Gutes und schweige darüber!"
Der jüngere Mönch (wohl ein ganz schön fähiger) hatte sich aber den Altvätern auf irgendwelche Weise bemerkbar gemacht bzw. er hatte es für sie erkennbar gemacht, dass er derjenige war, der ihnen auf
so eine wundersame Weise geholfen hat. Und zwar hat er sich aus Hochmut (eine der sieben Todsünden) und Eitelkeit bemerkbar gemacht. Dafür gibt es keine Rechtfertigung.
Und dadurch hat er seine Tat vor Gott zunichte gemacht: Im übertragenen Sinne hat er seine Tat "sterben lassen".
#3
Diana(Dienstag, 24 Dezember 2024 11:11)
Danke für Eure Deutungen, Clemens und Ruth. Ich habe mir erst ein bisschen schwer getan, den Hochmut in seiner Handlung zu sehen, aber vielleicht meintet Ihr auch die Tatsache, dass er nicht
bescheidenere, angemessenere Handlungsweisen gewählt hat und sich so der edlen Gaben erst einmal noch nicht als würdig erwiesen hat.
Mich hat die Geschichte betroffen und traurig gemacht. Aber so geht es wahrscheinlich auch Lehrern und Meistern, wenn sie uns zuschauen. Aber wahrscheinlich sehen sie so weit, dass sie nicht mit
jeder unserer unheilsamen Bewegung und jedem Fehlen „mitgehen“ müssen, sondern das einfach als einen sehr langen Weg verstehen, den wir alle zu gehen haben. Und den sie mit ihrer Liebe und mit
unterschiedlichen Mitteln und Abständen begleiten und unterstützen.
Ich habe den Fehler darin gesehen, dass der jüngere Mönch seine geistige Macht missbraucht hat und für einen geringen Anlass (ermattete Mönche) anderen Wesen seinen Willen aufgezwungen hat. Das tun
wir natürlich auch, wenn wir z. B. Tiere als Last- oder Nutztiere benutzen, aber im Kontext eines spirituellen Lebens als Mönch mit den Fähigkeiten halte ich den Eingriff direkt in die geistige
Willenssteuerung der Wesen (Befehl) für sehr massiv. Es wird in der Geschichte nicht deutlich, ob es bei der Ermattung der Mönche um „Leben und Tod“ ging, da sie ja in der Wüste lebten.
Wahrscheinlich hätte es auch geringere Mittel gegeben, um die ermatteten Mönche zu unterstützen, die dem angemessener gewesen wären. Es muss ein ganz schön mächtiges Gefühl sein, anderen Wesen
einfach befehlen zu können. Gefährlich, wenn man damit nicht gut umgeht und was man damit anrichten kann. Gefährlich, was das mit einem selbst machen kann. Ich denke, es geht darum, dass wir auf
unserem Weg Zugang zu göttlichen Fähigkeiten und Mittel auf verschiedenen Ebenen und Umfang erlangen und wir sie angemessen verwenden dürfen. Gott zu spielen, sich nicht der geringsten, möglichen
Mittel zu bedienen, orientiert an Zweck und Nutzen, wird aber für uns immer leidvolle Konsequenzen haben.
Man muss lernen mit seinen Gaben umzugehen, das spielt nach meiner Einschätzung auf jeder Entwicklungsebene, auch auf unserer, eine wichtige Rolle. Auch wir müssen uns täglich die Frage stellen: „Wie
habe ich heute meine Möglichkeiten und Fähigkeiten genutzt, im göttlichen Sinne?“ Das ist eine sehr absolute Frage, weil der Weg ja so ist, dass wir vieles nicht schaffen, manchmal kleine Erfolge
erringen, aber auch parallel wieder an anderen Stellen versagen etc. Innenschau und Selbstanalyse ist auch in diesem Sinne zu verstehen bei den Fragen: „Was habe ich heute nicht getan, nicht gesagt,
nicht gedacht, nicht gefühlt, was ich hätte tun, sagen, denken, fühlen sollen...?“ So verstanden, ob wir unser Kraft und Macht nutzen, um im richtigen (rechte Ausrichtung), göttlichen, heilsamen
Sinne zu dienen. Oder ob wir uns darauf ausruhen und ein "gutes Leben" der Einrichtung führen. Auch auf unserer Entwicklungsstufe als Weg-Arbeiter erreichen wir einen Zuwachs an Fähigkeiten und
Macht. Was machen wir damit, nutzen wir dies wieder, oder liegt es brach? Und wie gehen wir damit in der „normalen“ Welt angemessen und heilsam um? Für uns, für andere und die Welt.
Interessant ist, dass das Wort „Rechtfertigung“ zwei verschiedene Bedeutungen hat (laut DWDS): Erstens bedeutet es ob, eine Handlung oder ein bestimmtes Verhalten gerechtfertigt oder legitim ist.
Zweitens aber auch, in der christlichen Religion, die Gerechtigkeit, die dem Menschen durch Gott zugesprochen, zuteil wird.
Gottes Gerechtigkeit wird uns immer zuteil, durch seine Gesetze. Und eines der gerechtesten, aus meiner jetzigen Sicht, ist das Gesetz von Ursache und Wirkung, Karma. So komplex und unendlich Gottes
Ausdruck in, mit und durch die Welt ist, so komplex wirken auch Ursache und Wirkung auf unserer Ebene. Alles, was in uns ist (Ursachen) und Ausdruck findet, in der ganzen Widersprüchlichkeit und
Komplexität, wird sich auch in der Wirkung ausdrücken. Was meine ich damit, bezogen auf diese Geschichte? Wenn wir Fehler aufrichtig bereuen, wird das Wirkung zeigen. Es zeigen sich natürlich auch
die Wirkung der Taten selbst, das ist nicht zu verhindern, aber jede Regung der Reue, des Erkennens und Verstehens der eigenen unheilsamen Taten und Wirkungen, wie minimal sie auch ist, wird in
diesen komplexen Mechanismus einfließen, als Same oder als anderer Ausdruck. Vielleicht nicht mehr in diesem Leben, aber irgendwann, wenn der rechte Boden in uns da ist, ganz sicher.
Mich begleitet seit längerem eine Aussage von William Walker Atkinson, der sinngemäß sagte (ich gebe es mit eigenen Worten wieder): „Wir werden nicht VOM Karma BESTRAFT, sondern DURCH Karma BELEHRT.“
#4
Ruth Finder(Mittwoch, 25 Dezember 2024 11:59)
Nur am Rande - Überlegungen zu Hochmut und Eitelkeit:
In diese Begriffe fallen auch Anmaßung, Einbildung, Stolz, Selbstgefälligkeit, Gefallsucht, Hybris, Dünkel etc. Das tückische an ihnen ist, dass sie (wie auch bei jeder negativen Eigenschaft) sehr
subtil auftreten können - davor muss man auf der Hut sein! Das Offensichtliche kann man eher erkennen und womöglich bereuen und abstellen, aber das Subtile erfordert echte Achtsamkeit und
Selbsterkenntnis.
Dazu eine meiner Lieblingsgeschichten:
Selbstgefühl
Rabbi Chanoch von Alexander erzählte: "Im Hause meines Lehrers, des Rabbi Bunam, war es der Brauch, dass am Vorabend des Versöhnungstags alle Chassidim zu ihm kamen und sich ihm in Erinnerung
brachten. Einmal, nachdem ich die Abrechnung der Seele vollzogen hatte, schämte ich mich, mich vor ihm sehen zu lassen. Dann beschloss ich aber, mitten unter den anderen zu kommen, mich ihm in
Erinnerung zu bringen und sogleich eilends von dannen zu gehen. Das tat ich auch. Sowie er mich aber zurücktreten sah, rief er mich zu sich heran. Alsbald schmeichelte es meinem Herzen, dass der
Rabbi mich anschauen wollte. In demselben Augenblick jedoch, als es meinem Herzen schmeichelte, sagte er zu mir: "Es ist nicht mehr nötig."
#5
K(Mittwoch, 25 Dezember 2024 16:29)
Danke für die sehr anregenden Ausführungen. Als Ergänzung zu dem bereits Gesagten: Diana hat ja schon erwähnt, dass es wahrscheinlich auch geringere Mittel/ Möglichkeiten gegeben hätte, um den
ermatteten Mönchen zu helfen. Vielleicht hätte es ja z. B. schon gereicht, wenn der jüngere Mönch den älteren Mönchen Essen und Trinken gebracht hätte, so dass diese nach einer Ruhepause mit eigenen
(wiedererlangten) Kräften ihr Ziel erreichen hätten können.
Ich finde ergänzend auch noch die Frage interessant, ob der jüngere Mönch mit seiner Aktion den älteren ermatteten Mönchen wirklich in tieferem Sinne geholfen hat. Vielleicht wurden sie durch diese
Intervention der Erfahrung beraubt, trotz ermattender Kräfte doch das Ziel erreichen zu können und dadurch über die eigenen vermeintlichen Grenzen hinauszuwachsen. In dieser Geschichte erfahren wir
nicht, ob die Mönche ohne die Intervention des jüngeren Mönches ernsthaft in Gefahr geraten wären.
Für mich eröffnet sich die Frage, wann und wie Hilfe geleistet werden kann und soll in unserem Alltagsleben: Wann und wie können und sollen wir helfen und welche Motivation steckt dabei
dahinter...ein weites Feld für Innenschau und Selbstanalyse.
#6
Diana(Donnerstag, 26 Dezember 2024 08:43)
Danke für Euren weiteren Hinweise dazu, Ruth und K. Da gibt's ohne Ende zu tun :-).
#7
Diana(Donnerstag, 26 Dezember 2024 12:01)
Innenschau und Selbstanalyse dienen unter anderem dazu, uns besser erkennen zu lernen. Es gibt aber neben den großen dunklen, noch nicht erkennbaren Bereichen (blinde Flecke bzw. Areale
unterschiedlicher Größe und Anordnung) einen weiteren Aspekt, der im Erkennen lernen eine wichtige Rolle spielt:
Neben dem noch nicht können, gibt es das, was wir NICHT WAHRNEHMEN oder SEHEN WOLLEN und/ oder was wir noch NOCH NICHT ANNEHMEN KÖNNEN.
Auch hier mischen die drei Wurzelverblendungen mit:
- Unwissenheit als nicht-wissen-wollen,
- Hass als ablehnen dessen, wie wir uns gerade seiend erkennen müssen,
- Gier in Form von Vorstellungen und Anhaftung an bessere Zustände und Seinsweisen, denen wir aber (noch/ gar) nicht entsprechen.
Und diese drei Verblendungen wirken untereinander weiter gegenseitig unheilsam stützend zusammen.
Manchmal erkennt man sich an Stellen vielleicht auch nicht gut, weil man im Zuge der Weg-Arbeit einen etwas erweiterten Blick entwickelt hat, aber diese Sehfähigkeit noch gar nicht bemerkt hat.
Manchmal hält man so an inneren Bildern von sich fest, ohne zu bemerken, dass man in der Realität an manchen Stellen besser, an manchen viel schlechter oder einfach anders dasteht.
Es ist nicht einfach, das nackte, ungetrübte, klare Erkennen zu lernen und zuzulassen, und gleichzeitig trotzdem mit Akzeptanz der Tatsachen, liebevoller Selbstannahme und Mitgefühl auf die eigene
Entwicklungswürdigkeit zu schauen. Und trotzdem dadurch mögliche Verzerrungen aus falsch verstandener "Selbstannahme" oder „Selbstliebe“ (Fortführung des AP-Egoismus) NICHT zuzulassen, die die klare
Sicht auf uns selbst sofort wieder trüben.
Eine sehr komplexe Gemengelage, an deren Bewältigung wir fortwährend scheitern, wenn wir uns ihr stellen, aber uns so kontinuierlich weiterentwickeln, wenn wir nicht aufhören, so fortzufahren.
Ausgerichtet nur auf das Ziel, uns und so auch die Welt endlich wirklich ungetrübt und klar erkennen zu können. Deshalb bereit, sich allem zu stellen, was wahrnehmbar wird, egal wie schmerzvoll und
unangenehm brennend das Erkannte für uns und in uns ist. Die anderen Menschen um uns herum, vor allem Weg-Gefährten und Lehrer, können solche Dinge sowieso sehen. Und im Vergleich zu den Wirkungen,
die unsere schmerzhaften und unangenehmen Ursachen auch außerhalb von uns haben werden, falls man diese Trennlinie überhaupt ziehen kann, ist es das wesentlich geringere Übel, den erkennenden
Ursachen-Schmerz tragen zu lernen, als all das Leid, das wir sonst noch viel viel weitreichender verursachen.
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C. (Montag, 23 Dezember 2024 20:07)
Der "jüngere Mönch" war nicht zwingend jung. Er war nur jünger als der Altvater. Er konnte also durchaus schon ein erfahrener Mönch sein. Ein Mönch, der seine Fähigkeiten in Konzentration, Visualisation und Meditation schon so weit vorangetrieben hatte, dass er Wunderzeichen tun konnte. Als Antonios das hörte, schwang er sich auf den Mönch ein und realisierte seinen Stand, aber auch die aus seiner Wundertat erwachsene Bedrohung und den sich abspielenden Kampf. Und richtig, nach einer Weile bemerkte er, dass der Mönch im Kampf unterlegen war. Er hatte sich letztlich nicht dagegen wehren können, sich die Wundertat selbst zuzuschreiben. Er wusste wahrscheinlich schon, dass Gott die Ursache alles Guten ist und er selbst nur ein Kanal für den göttlichen Segen, aber dann sagte er sich vielleicht, dass er eben schon ein besonders reiner Kanal sei. Und in diesem Hin und Her zwischen Kontakt zum HS in der Gottesgegenwart und egoistischem AP- Impuls kämpfte er - aber er unterlag schließlich. Seine relative Größe kann man auch daran erkennen, dass er sich seiner Niederlage bewusst war und sie zutiefst bedauerte. Er stellte sich dem Kampf und nahm an, dass er nach zehn Tagen Zerknirschung Rechtfertigung erlangen würde. Aber er wird andererseits vielleicht auch schon gewusst haben, dass es für seine wahrscheinlich anhaltende und schwer zu tilgende Sünde keine kurzfristige Rechtfertigung gab. Das machte seinen Lebensfaden dünn... Und falls er es nicht wusste, so wurde dies einfach durch die karmische Konsequenz zum Ausdruck gebracht. Möglicherweise beides! Den Charakterdefekt nahm er dann mit in die andere Welt - und von dort in die nächste Inkarnation, um ihn in einem neuen Anlauf zu bearbeiten. Dann vielleicht demutsfördernd erstmal ohne "ein Schiff voller Waren" zu sein.
Ruth Finder (Montag, 23 Dezember 2024 21:56)
#1: Man muss erstmal drauf kommen - toll!
Meine Deutung ist:
Es heißt "Tue Gutes und schweige darüber!"
Der jüngere Mönch (wohl ein ganz schön fähiger) hatte sich aber den Altvätern auf irgendwelche Weise bemerkbar gemacht bzw. er hatte es für sie erkennbar gemacht, dass er derjenige war, der ihnen auf so eine wundersame Weise geholfen hat. Und zwar hat er sich aus Hochmut (eine der sieben Todsünden) und Eitelkeit bemerkbar gemacht. Dafür gibt es keine Rechtfertigung.
Und dadurch hat er seine Tat vor Gott zunichte gemacht: Im übertragenen Sinne hat er seine Tat "sterben lassen".
Diana (Dienstag, 24 Dezember 2024 11:11)
Danke für Eure Deutungen, Clemens und Ruth. Ich habe mir erst ein bisschen schwer getan, den Hochmut in seiner Handlung zu sehen, aber vielleicht meintet Ihr auch die Tatsache, dass er nicht bescheidenere, angemessenere Handlungsweisen gewählt hat und sich so der edlen Gaben erst einmal noch nicht als würdig erwiesen hat.
Mich hat die Geschichte betroffen und traurig gemacht. Aber so geht es wahrscheinlich auch Lehrern und Meistern, wenn sie uns zuschauen. Aber wahrscheinlich sehen sie so weit, dass sie nicht mit jeder unserer unheilsamen Bewegung und jedem Fehlen „mitgehen“ müssen, sondern das einfach als einen sehr langen Weg verstehen, den wir alle zu gehen haben. Und den sie mit ihrer Liebe und mit unterschiedlichen Mitteln und Abständen begleiten und unterstützen.
Ich habe den Fehler darin gesehen, dass der jüngere Mönch seine geistige Macht missbraucht hat und für einen geringen Anlass (ermattete Mönche) anderen Wesen seinen Willen aufgezwungen hat. Das tun wir natürlich auch, wenn wir z. B. Tiere als Last- oder Nutztiere benutzen, aber im Kontext eines spirituellen Lebens als Mönch mit den Fähigkeiten halte ich den Eingriff direkt in die geistige Willenssteuerung der Wesen (Befehl) für sehr massiv. Es wird in der Geschichte nicht deutlich, ob es bei der Ermattung der Mönche um „Leben und Tod“ ging, da sie ja in der Wüste lebten. Wahrscheinlich hätte es auch geringere Mittel gegeben, um die ermatteten Mönche zu unterstützen, die dem angemessener gewesen wären. Es muss ein ganz schön mächtiges Gefühl sein, anderen Wesen einfach befehlen zu können. Gefährlich, wenn man damit nicht gut umgeht und was man damit anrichten kann. Gefährlich, was das mit einem selbst machen kann. Ich denke, es geht darum, dass wir auf unserem Weg Zugang zu göttlichen Fähigkeiten und Mittel auf verschiedenen Ebenen und Umfang erlangen und wir sie angemessen verwenden dürfen. Gott zu spielen, sich nicht der geringsten, möglichen Mittel zu bedienen, orientiert an Zweck und Nutzen, wird aber für uns immer leidvolle Konsequenzen haben.
Man muss lernen mit seinen Gaben umzugehen, das spielt nach meiner Einschätzung auf jeder Entwicklungsebene, auch auf unserer, eine wichtige Rolle. Auch wir müssen uns täglich die Frage stellen: „Wie habe ich heute meine Möglichkeiten und Fähigkeiten genutzt, im göttlichen Sinne?“ Das ist eine sehr absolute Frage, weil der Weg ja so ist, dass wir vieles nicht schaffen, manchmal kleine Erfolge erringen, aber auch parallel wieder an anderen Stellen versagen etc. Innenschau und Selbstanalyse ist auch in diesem Sinne zu verstehen bei den Fragen: „Was habe ich heute nicht getan, nicht gesagt, nicht gedacht, nicht gefühlt, was ich hätte tun, sagen, denken, fühlen sollen...?“ So verstanden, ob wir unser Kraft und Macht nutzen, um im richtigen (rechte Ausrichtung), göttlichen, heilsamen Sinne zu dienen. Oder ob wir uns darauf ausruhen und ein "gutes Leben" der Einrichtung führen. Auch auf unserer Entwicklungsstufe als Weg-Arbeiter erreichen wir einen Zuwachs an Fähigkeiten und Macht. Was machen wir damit, nutzen wir dies wieder, oder liegt es brach? Und wie gehen wir damit in der „normalen“ Welt angemessen und heilsam um? Für uns, für andere und die Welt.
Interessant ist, dass das Wort „Rechtfertigung“ zwei verschiedene Bedeutungen hat (laut DWDS): Erstens bedeutet es ob, eine Handlung oder ein bestimmtes Verhalten gerechtfertigt oder legitim ist. Zweitens aber auch, in der christlichen Religion, die Gerechtigkeit, die dem Menschen durch Gott zugesprochen, zuteil wird.
Gottes Gerechtigkeit wird uns immer zuteil, durch seine Gesetze. Und eines der gerechtesten, aus meiner jetzigen Sicht, ist das Gesetz von Ursache und Wirkung, Karma. So komplex und unendlich Gottes Ausdruck in, mit und durch die Welt ist, so komplex wirken auch Ursache und Wirkung auf unserer Ebene. Alles, was in uns ist (Ursachen) und Ausdruck findet, in der ganzen Widersprüchlichkeit und Komplexität, wird sich auch in der Wirkung ausdrücken. Was meine ich damit, bezogen auf diese Geschichte? Wenn wir Fehler aufrichtig bereuen, wird das Wirkung zeigen. Es zeigen sich natürlich auch die Wirkung der Taten selbst, das ist nicht zu verhindern, aber jede Regung der Reue, des Erkennens und Verstehens der eigenen unheilsamen Taten und Wirkungen, wie minimal sie auch ist, wird in diesen komplexen Mechanismus einfließen, als Same oder als anderer Ausdruck. Vielleicht nicht mehr in diesem Leben, aber irgendwann, wenn der rechte Boden in uns da ist, ganz sicher.
Mich begleitet seit längerem eine Aussage von William Walker Atkinson, der sinngemäß sagte (ich gebe es mit eigenen Worten wieder): „Wir werden nicht VOM Karma BESTRAFT, sondern DURCH Karma BELEHRT.“
Ruth Finder (Mittwoch, 25 Dezember 2024 11:59)
Nur am Rande - Überlegungen zu Hochmut und Eitelkeit:
In diese Begriffe fallen auch Anmaßung, Einbildung, Stolz, Selbstgefälligkeit, Gefallsucht, Hybris, Dünkel etc. Das tückische an ihnen ist, dass sie (wie auch bei jeder negativen Eigenschaft) sehr subtil auftreten können - davor muss man auf der Hut sein! Das Offensichtliche kann man eher erkennen und womöglich bereuen und abstellen, aber das Subtile erfordert echte Achtsamkeit und Selbsterkenntnis.
Dazu eine meiner Lieblingsgeschichten:
Selbstgefühl
Rabbi Chanoch von Alexander erzählte: "Im Hause meines Lehrers, des Rabbi Bunam, war es der Brauch, dass am Vorabend des Versöhnungstags alle Chassidim zu ihm kamen und sich ihm in Erinnerung brachten. Einmal, nachdem ich die Abrechnung der Seele vollzogen hatte, schämte ich mich, mich vor ihm sehen zu lassen. Dann beschloss ich aber, mitten unter den anderen zu kommen, mich ihm in Erinnerung zu bringen und sogleich eilends von dannen zu gehen. Das tat ich auch. Sowie er mich aber zurücktreten sah, rief er mich zu sich heran. Alsbald schmeichelte es meinem Herzen, dass der Rabbi mich anschauen wollte. In demselben Augenblick jedoch, als es meinem Herzen schmeichelte, sagte er zu mir: "Es ist nicht mehr nötig."
K (Mittwoch, 25 Dezember 2024 16:29)
Danke für die sehr anregenden Ausführungen. Als Ergänzung zu dem bereits Gesagten: Diana hat ja schon erwähnt, dass es wahrscheinlich auch geringere Mittel/ Möglichkeiten gegeben hätte, um den ermatteten Mönchen zu helfen. Vielleicht hätte es ja z. B. schon gereicht, wenn der jüngere Mönch den älteren Mönchen Essen und Trinken gebracht hätte, so dass diese nach einer Ruhepause mit eigenen (wiedererlangten) Kräften ihr Ziel erreichen hätten können.
Ich finde ergänzend auch noch die Frage interessant, ob der jüngere Mönch mit seiner Aktion den älteren ermatteten Mönchen wirklich in tieferem Sinne geholfen hat. Vielleicht wurden sie durch diese Intervention der Erfahrung beraubt, trotz ermattender Kräfte doch das Ziel erreichen zu können und dadurch über die eigenen vermeintlichen Grenzen hinauszuwachsen. In dieser Geschichte erfahren wir nicht, ob die Mönche ohne die Intervention des jüngeren Mönches ernsthaft in Gefahr geraten wären.
Für mich eröffnet sich die Frage, wann und wie Hilfe geleistet werden kann und soll in unserem Alltagsleben: Wann und wie können und sollen wir helfen und welche Motivation steckt dabei dahinter...ein weites Feld für Innenschau und Selbstanalyse.
Diana (Donnerstag, 26 Dezember 2024 08:43)
Danke für Euren weiteren Hinweise dazu, Ruth und K. Da gibt's ohne Ende zu tun :-).
Diana (Donnerstag, 26 Dezember 2024 12:01)
Innenschau und Selbstanalyse dienen unter anderem dazu, uns besser erkennen zu lernen. Es gibt aber neben den großen dunklen, noch nicht erkennbaren Bereichen (blinde Flecke bzw. Areale unterschiedlicher Größe und Anordnung) einen weiteren Aspekt, der im Erkennen lernen eine wichtige Rolle spielt:
Neben dem noch nicht können, gibt es das, was wir NICHT WAHRNEHMEN oder SEHEN WOLLEN und/ oder was wir noch NOCH NICHT ANNEHMEN KÖNNEN.
Auch hier mischen die drei Wurzelverblendungen mit:
- Unwissenheit als nicht-wissen-wollen,
- Hass als ablehnen dessen, wie wir uns gerade seiend erkennen müssen,
- Gier in Form von Vorstellungen und Anhaftung an bessere Zustände und Seinsweisen, denen wir aber (noch/ gar) nicht entsprechen.
Und diese drei Verblendungen wirken untereinander weiter gegenseitig unheilsam stützend zusammen.
Manchmal erkennt man sich an Stellen vielleicht auch nicht gut, weil man im Zuge der Weg-Arbeit einen etwas erweiterten Blick entwickelt hat, aber diese Sehfähigkeit noch gar nicht bemerkt hat. Manchmal hält man so an inneren Bildern von sich fest, ohne zu bemerken, dass man in der Realität an manchen Stellen besser, an manchen viel schlechter oder einfach anders dasteht.
Es ist nicht einfach, das nackte, ungetrübte, klare Erkennen zu lernen und zuzulassen, und gleichzeitig trotzdem mit Akzeptanz der Tatsachen, liebevoller Selbstannahme und Mitgefühl auf die eigene Entwicklungswürdigkeit zu schauen. Und trotzdem dadurch mögliche Verzerrungen aus falsch verstandener "Selbstannahme" oder „Selbstliebe“ (Fortführung des AP-Egoismus) NICHT zuzulassen, die die klare Sicht auf uns selbst sofort wieder trüben.
Eine sehr komplexe Gemengelage, an deren Bewältigung wir fortwährend scheitern, wenn wir uns ihr stellen, aber uns so kontinuierlich weiterentwickeln, wenn wir nicht aufhören, so fortzufahren. Ausgerichtet nur auf das Ziel, uns und so auch die Welt endlich wirklich ungetrübt und klar erkennen zu können. Deshalb bereit, sich allem zu stellen, was wahrnehmbar wird, egal wie schmerzvoll und unangenehm brennend das Erkannte für uns und in uns ist. Die anderen Menschen um uns herum, vor allem Weg-Gefährten und Lehrer, können solche Dinge sowieso sehen. Und im Vergleich zu den Wirkungen, die unsere schmerzhaften und unangenehmen Ursachen auch außerhalb von uns haben werden, falls man diese Trennlinie überhaupt ziehen kann, ist es das wesentlich geringere Übel, den erkennenden Ursachen-Schmerz tragen zu lernen, als all das Leid, das wir sonst noch viel viel weitreichender verursachen.