Hund im Trog

 

Jesus sprach: Wehe den Pharisäern, denn sie gleichen einem Hund, der in dem Trog der Rinder liegt; denn er frisst nicht, noch lässt er die Rinder fressen. (Thomas-Evangelium, Logion 102)

 

 

Heute gelten uns Pharisäer als selbstgerecht, heuchlerisch und dem Kleingedruckten verfallen, ohne den großen Zusammenhang zu erkennen. In der Antike bezeichneten sich die besonders gesetzestreuen Juden selber so. In dieser Selbstbezeichnung schwangen Stolz, Sendungsbewusstsein und Konservativismus um seiner selbst willen mit. Im Bild des Pharisäers sehen wir recht gut einen verbreiteten Typus von Kirchenfürsten und ihre Äquivalente in anderen Religionen beschrieben.

 

Verstehen wir das Gleichnis so: Der Trog steht für die Tröge der Religionen, die in unterschiedlichen Formen bereitstehen, um die geistige Nahrung der Religionen denen anzubieten, die diese Art von Nahrung wünschen. Und das sind die Rinder. Rinder können normalerweise ihre (spirituelle) Nahrung überall finden. In schlechten, regenarmen Zeiten oder an ungünstigen Orten (Ställen, kleinen Weiden) brauchen sie Zufütterung. Oder falls die Rinder etwas ungeschickt sind, müssen sie durch die konzentrierte Form von Futter auf den Geschmack gebracht werden. Dafür sind die Tröge gut. Behalten wir aber im Kopf, dass freilaufende Wildrinder gewöhnlich keine Tröge brauchen. Die Trog- und Weidewirtschaft zieht sich im Grunde eine besondere Rinderpopulation heran, die ihre Tröge braucht. Das jedenfalls glauben diese Rinder oft.

 

Aber gut, nicht die Tröge sind das Problem. Es sind die Hunde – ganz besonders jene spezifischen Hunde. Ersteinmal zeichnen Hunde sich dadurch aus, dass sie kein Trogfutter mögen. Sie sind keine spirituellen Sucher auf der Suche nach dem Inhalt der Religionen (Tröge). Das ist an sich schon traurig genug. Und was können wir sonst noch über sie sagen? Positiv könnten sie vielleicht als Bewacher und Beschützer der Tröge nach außen gesehen werden. Weniger positiv, wenn sie den Zugang zu den Trögen bewachen und nur bestimmte Rinder heranlassen. Noch weniger positiv, wenn sie diesem speziellen pharisäischen Typus von Hunden entsprechen, der zwar die Rinder um den Trog herum haben will (Kirchenmitglieder), aber ihnen gar keinen Zugang zum Inhalt des Troges gewährt, bequem liegt und dann noch durch seinen unsauberen Leib das Futter verdirbt. Besonders bedrückend: Als Fleischfresser müssen die Hunde hin und wieder ein Rind verspeisen!

 

Und was heißt: „Wehe den Pharisäern!“ Klingt irgendwie nach aus ihrem Tun resultierenden Leiden...