beispielsweise: Christentum und Buddhismus

 

Die Religionen sind einerseits die Türen zur höheren Wahrheit der Spiritualität - andererseits haben sie aber auch die Tendenz, verschlossene Türen zu sein. Dies geschieht durch Dogmatisierungen von Glaubensinhalten, die dem Erkennen höherer Wahrheiten im Wege stehen. Die Gründe für diese Dogmatisierungen können vielfältig angelegt sein. Glaubensdisziplin, Disziplinierung der Gläubigen (was ein Unterschied ist) oder auch die Überzeugung, dass eine bestimmte Ausprägung richtig ist, ohne zu erkennen, dass die Voraussetzungen für richtig oder falsch an anderen Orten und zu anderen Zeiten anders sein können. Sind diese Dogmatisierungen erst einmal eingetreten, ist es nahezu unmöglich, diese wieder rückgängig zu machen - ganz gleich, welche logischen Verrenkungen nötig sind, um die negativen Konsequenzen entweder zu verdrängen oder hintenherum aufzuheben.

Ein gut bekanntes Beispiel ist die Verdrängung des Reinkarnationsgedankens aus dem Christentum. Durch diese Maßnahme wurde schon früh allen nach allen Seiten offenen Wahrheitsforschern die vorbehaltlose Mitgliedschaft in den Kirchen unmöglich gemacht. Bestimmte Fragen mussten von dem Moment an ausgeblendet werden oder durch vorgeblich "unerforschliche Ratschlüsse Gottes" beschönigt werden.

 

Ein vergleichbar früher Fehler des Buddhismus war die Dogmatisierung der Vorstellung, das es keinerlei bleibende Persönlichkeit gäbe - ausgelöst durch die berechtigte Einsicht, das die Alltagspersönlichkeit in beständigem Wandel begriffen ist und sich zudem aus verschiedenen Aspekten zusammensetzt. Schon im dritten vorchristlichen Jahrhundert gründete Vatsiputra in Indien eine "personalistische" buddhistische Schule, die Pudgalavadins (Pudgala = Person). Er versuchte so, der immer stärker werdenden Tendenz zur Verdrängung des Brahman-Atman-Prinzips bzw. der Vorstellungen vom höheren Selbst entgegenzuwirken. Von allen anderen Schulen als Häretiker bezeichnet, bildete sie noch tausend Jahre später die zahlenmäßig größte buddhistische Schule Indiens. Bedauerlicherweise missionierte sie nicht außerhalb ihres Subkontinentes und so verlosch diese Strömung mit dem Untergang des indischen Buddhismus, der sich bis Ende des 12. Jahrhunderts vollzog. Seitdem müssen sich die Buddhisten endgültig mit Aussagen wie: "Was wiedergeboren wird ist weder gleich noch nicht-gleich" oder: "Es gibt keine Person, aber das Bewusstsein bleibt" über innere Widersprüche der buddhistischen Wege hinweghelfen. Wozu sollte schließlich ich Erwachen anstreben, wenn gar kein Ich da ist? Wer erwacht denn dann? Wer wird belehrt? Wer wird denn wiedergeboren? Wer erntet das angehäufte Karma?

 

Das Christentum hat sich durch seine Hinwendung zur inneren Seele und zu Gott über die Niederungen der unerleuchteten Alltagspersönlichkeit erhoben, der Buddhismus durch unübertroffen detaillierte Untersuchung und Modifikation eben der Alltagspersönlichkeit. Beide kranken am wechselseitigen Ausschluss des jeweils anderen - wodurch sie letztlich als Religionen dastehen und nicht als spirituelle, wahrheitsforscherische Bewegungen. Türen zur Wahrheit! Aber nicht weit offen...